BVerwG: Tatsachenkenntnis des Beurteilers

BVerwG, Urteil vom 01.02.2024, 2 A 1.23

Der Umstand, dass die vorangegangene Fassung einer dienstlichen Beurteilung wegen
eines Fehlers aufgehoben worden ist, muss nicht zwingend zu einer Anhebung des vergebenen
Gesamturteils in der korrigierten dienstlichen Beurteilung führen.

Der bei der Erstellung der dienstlichen Beurteilung angelegte Maßstab ist zutreffend das
Statusamt des Beurteilten, nicht sein konkreter Dienstposten. Eine dienstliche Beurteilung
ist zu erstellen aufgrund der Erkenntnisse über die von dem jeweiligen Beamten auf dem konkret
innegehabten Dienstposten gezeigten Leistungen, gemessen an den (abstrakten) Anforderungen
des Statusamtes (st. Rspr.).

Eine dienstliche Beurteilung soll die Grundlage für eine an den Kriterien des Art. 33
Abs. 2 GG orientierte Auswahlentscheidung liefern. Denn der Vergleich der Bewerber hat
vor allem anhand dienstlicher Beurteilungen zu erfolgen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 20.04.2004 1 BvR 838/01 – BVerfGE 110, 304, 332; BVerfG, Beschl. v. 16.12.2015 – 2 BvR 1958/13 Rn. 58 – BVerfGE 141, 56). Dabei sind vor allem zeitnahe bzw. aktuelle dienstliche Beurteilungen heranzuziehen (BVerfG, Kammerbeschl.
v. 09.08.2016 – 2 BvR 1287/16 Rn. 78 m.w.N. – NVwZ 2017, 46).

Um eine verlässliche Grundlage für die Auswahlentscheidung liefern zu können, muss eine
dienstliche Beurteilung die dienstliche Tätigkeit des zu beurteilenden Beamten im maßgebenden
Beurteilungszeitraum vollständig erfassen, auf zuverlässige Erkenntnisquellen gestützt
sein, das Leistungsvermögen auf der Grundlage der im innegehabten Amt erbrachten
Leistungen hinreichend differenziert darstellen sowie auf gleichen Bewertungsmaßstäben beruhen
(BVerwG, Beschl. v. 21.12.2016 – 2 VR 1/16 Rn. 24 m.w.N. – BVerwGE 157, 168).

Ist der für die Beurteilung Zuständige nicht in der Lage, sich ein eigenes vollständiges Bild
von den Leistungen des Beamten zu machen, muss er sich die Informationen verschaffen,
die es ihm ermöglichen, diejenigen zu bewertenden Elemente der Eignung, Befähigung und
fachlichen Leistung zutreffend zu erfassen, über die er keine aus eigener Anschauung gewonnenen Erkenntnisse besitzt (BVerwG, Urt. v. 27.11.2014 – 2 A 10/13 Rn. 22 f. m.w.N. – BVerwGE 150, 359). Hierfür kommen vorrangig, aber nicht ausschließlich, Aussagen von Personen in Betracht, die die Dienstausübung des zu beurteilenden Beamten aus unmittelbarer eigener Anschauung kennen.

Die Pflicht zur Begründung einer dienstlichen Beurteilung folgt aus dem Rechtsstaatsprinzip
(Art. 20 Abs. 3 GG), dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) sowie
der Funktion der dienstlichen Beurteilung, als tragfähige Grundlage für eine an den Kriterien
des Art. 33 Abs. 2 GG orientierte Auswahlentscheidung zu dienen. Wie die einzelnen
Auswahlkriterien zu gewichten sind, geben weder Art. 33 Abs. 2 GG noch § 9 Satz 1 BBG unmittelbar
vor. Im Rahmen des ihm zustehenden Spielraums ist es daher Sache des Dienstherrn festzulegen, welches Gewicht er den einzelnen Merkmalen beimessen will (vgl. BVerfG, Kammerbeschl. v. 05.09.2007 – 2 BvR 1855/07 – BVerfGK 12, 106, 108; BVerfG, Kammerbeschl. v. 17.01.2014 – 1 BvR 3544/13 Rn. 15).

Das abschließende Gesamturteil ist durch eine Würdigung, Gewichtung und Abwägung der einzelnen
auf die Auswahl nach Art. 33 Abs. 2 GG bezogenen Gesichtspunkte zu bilden (BVerwG, Beschl. v. 25.10.2011 – 2 VR 4/11 Rn. 15 m.w.N. Buchholz 11 Art 33 Abs. 2 GG Nr 50). Diese Gewichtung bedarf schon deshalb einer Begründung, weil nur so die Einhaltung gleicher Maßstäbe gewährleistet und das Gesamturteil nachvollzogen und einer gerichtlichen Überprüfung zugeführt werden kann. Gesamturteil und Einzelbewertungen einer dienstlichen Beurteilung müssen in dem Sinne miteinander übereinstimmen, dass sich das Gesamturteil nachvollziehbar und plausibel aus den Einzelbewertungen
herleiten lässt (BVerwG, Urt. v. 17.09.2015 – 2 C 27/14 Rn. 12 – BVerwGE 153, 48). Die Begründung
des Gesamturteils hat schon in der dienstlichen Beurteilung selbst zu erfolgen. Sie ist materieller Bestandteil der dienstlichen Beurteilung selbst und kann nicht erst im gerichtlichen Verfahren nachgeholt werden (BVerwG, Beschl. v. 21.12.2016 – 2 VR 1/16 Rn. 41 – Buchholz 11 Art 33 Abs. 2 GG Nr 80; BVerwG, Urt. v. jurisPR-BVerwG 13/2024 02.03.2017 – 2 C 51/16 Rn. 16 ff. – Buchholz 232.1 § 49 BLV Nr 3).

Mit der Beurteilungsbefugnis ist dem Dienstherrn auch das Recht zuerkannt, die einzelnen
im Beurteilungszeitraum liegenden Vorgänge in einer Gesamtschau zusammenzufassen und zu
bewerten (BVerwG, Urt. v. 01.03.2018 – 2 A 10/17 Rn. 32 m.w.N. – BVerwGE 161, 240). Auch
eine solche Beurteilung muss jedoch in einer die gerichtliche Nachprüfung ermöglichenden Weise
klar abgefasst sein.

Etwaige Begründungsdefizite kann der Dienstherr im Rahmen der Eröffnung und Besprechung
der dienstlichen Beurteilung ausgleichen, indem er dem Beamten die getroffenen
Werturteile und ihre Grundlagen näher erläutert. Gegebenenfalls kann der Dienstherr auch
noch bis in das verwaltungsgerichtliche Verfahren hinein weitere nähere Darlegungen machen,
die die gefundenen Werturteile konkretisieren und damit plausibel machen (BVerwG, Urt. v. 01.03.2018 – 2 A 10/17 Rn. 32 – BVerwGE 161, 240 m.w.N.).

Das BVerwG hat den Begriff der „Plausibilisierung“ auf Erläuterungen des Dienstherrn als Reaktion
auf das Vorbringen des betroffenen Beamten gegen den Inhalt einer erstellten dienstlichen
Beurteilung verwendet (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.09.2015 – 2 C 27/14 Rn. 11 u. 20 f. – BVerwGE 153, 48). Davon zu unterscheiden ist die nähere Erläuterung von Bewertungen noch im Verfahren der Erstellung der dienstlichen Beurteilung (vgl. auch BVerwG, Urt. v. 01.03.2018, 2 A 10/17 Rn. 32 ff. – BVerwGE 161, 240).